Trend
Glasfaser benötigt einen Imagewandel
„Es scheint ein Widerspruch zu sein, sich Glasfaser in gewöhnlichen Verbrauchergeräten, ...in Fahrzeugen sowie in rauen Industrie- und physikalischen Umgebungen vorzustellen“, erklärt Phil Gilchrist, CTO von Data and Devices. „Aber genau dies beginnt sich nun abzuzeichnen.“
Glasfaser: robust und einsatzbereit?
Wer schon einmal nach Grafiken für „Glasfaser“ gesucht hat, der kennt die Bilder von härchendünnen Bündeln, die wie Glühstäbe von innen heraus leuchten. Man stellt sich dann vor, wie diese von maskierten Labortechnikern mit weiß Handschuhen vorsichtig und fast in Art Zeremonie herumgetragen werden, die ihre Kostbarkeit betont. Brüchigkeit, Empfindlichkeit und Zerbrechlichkeit sind Begriffe, die einem bei Glasfasern oft in den Sinn kommen. Es scheint ein Widerspruch zu sein, sich Glasfaser in gewöhnlichen Verbrauchergeräten, die man lieblos auf Tische wirft, in Fahrzeugen sowie in rauen Industrie- und physikalischen Umgebungen vorzustellen. Aber genau dies beginnt sich nun abzuzeichnen. Bits per Glasfaser über die letzten Meter zum Verbraucher (und somit von der Cloud zum Chip) zu übertragen, ist nicht nur eine Kostenfrage. Die Glasfaser benötigt zudem einen Imagewandel. Sie muss als robust wahrgenommen werden.
Für die letzten Meter
Photonen sind zehn Sekunden nach dem großen Knall entstanden und haben bis heute durchgehalten. Ohne zu tief in die Materie abzuschweifen, kann man sagen, dass Photonen von sich aus äußerst robust und zudem unerreicht schnell sind. Wenn Photonen kanalisiert werden, können riesige Datenmengen durch eine einzige Glasfaserlitze getrieben werden. Die genaue Menge richtet sich nach der Faserzusammensetzung, der Länge und den Störfaktoren. Theoretisch jedoch sind mit Glasfaser Datenraten im Bereich Petabit-pro-Sekunde möglich (im Einzelmodus). Der Trend ist klar: Eines Tages werden alle weltweiten Daten über photonische Leitmedien übertragen werden. Die meisten Menschen können sich die riesigen Telekommunikationsleitungen aus Glasfaser vorstellen, die die Welt umrunden und Bits beinahe mit Lichtgeschwindigkeit über Tausende von Kilometern übertragen. Dann aber stoßen sie auf die „letzten paar Meter“. Dort treffen sie auf Verbraucherprodukte, selbsterhaltende unabhängige Systeme wie die Kabelbäume von Automobilen, Schalter- und Routerdatenkarten sowie die meisten Wohn- und Geschäftsräume. Kupferdraht war auf diesen „letzten Metern“ aus gutem Grund stets dominierend und wird für die Entwickler auch weiterhin eine gute Wahl bleiben. Bei einigen Anwendungen besteht aber auch Anlass zum Umdenken.
LEICHT
FLEXIBEL
SENSORISCH
Argumente für den Wandel
Glasfaserverkabelung
Leicht, flexibel, stabil und vieles mehr
Glasfaser ist leicht. Und wir alle freuen uns, wenn wir abnehmen können. Je mehr Dinge wir verbinden möchten, desto mehr Kabel (und natürlich drahtlose Geräte) müssen angeschlossen werden. Kupferkabelkanäle wiegen viel und lassen sich nur mühselig verlegen (das ehemalige „Kabelmanagement“). Glasfaser ist dank neuer biegsamer Polymere mittlerweile flexibler und stabiler als viele denken. Sie eignet sich zum Verdrahten von Steuer- und Infotainmentsystemen in Verkehrsflugzeugen, wo Platz und Gewicht eine entscheidende Rolle spielen. Zudem können mithilfe von Veränderungen der durch die Fasern geleiteten Photonen Belastungen der Strukturen und physikalische Intrusionen erkannt werden. So ist ein photonisches Nervensystem, das Veränderungen sehr genau wahrnimmt, bereits in der nahen Zukunft denkbar. Die Quantenkryptographie verspricht eine hackerfreie Übertragung. Aber so exotisch müssen wir gar nicht denken.
Optische Chips
Die schlussendliche Zielsetzung
Aus ebendiesen Gründen wird Glasfaser langsam aber sicher auch von der Automobilindustrie wahrgenommen. Je mehr Verbindungen erforderlich sind, desto schwerer wird die Verkabelung. Es gibt verschiedene Experimente, bei denen die signalführenden Kupferbahnen der Leiterplatten durch optische ersetzt werden, anstatt die Komponenten direkt über eine robuste optische Verkabelung zu verbinden (die m. E. weitaus bessere Lösung). Allerdings dauert es stets länger, bis eine Technik die andere ersetzt, als deren Befürworter dies voraussagen. Die optischen Komponenten für die Durchleitung der Photonen gibt es nicht umsonst. Flugzeug- und Fahrzeugdesigner zögern, die Kupferkabelbaum-Infrastruktur anzutasten, die ihre Zuverlässigkeit über viele Jahre bewiesen hat. Vorsicht ist vernünftig, da die Nachteile von Ausfällen berücksichtigt werden müssen. Aber es ist gut möglich, dass Sie schon einmal in einem Verkehrsflugzeug mit optischer Verkabelung geflogen sind. Die schlussendliche Zielsetzung sind natürlich optische Chips mit photonischen anstelle von elektrischen Kommunikationsbussen.
Das Photon ist robust, aber das Image der Glasfaser als empfindliche Technik steht ihm im Weg!
- Phil Gilchrist,
- Vice President und Chief Technology Officer, Data and Devices
Der Wandel beginnt jetzt
Wer tatsächlich einmal ein Werk besichtigt, in dem Glasfasern hergestellt werden, wird sehr überrascht sein. Trotz all der High-Tech-Assoziationen im Zusammenhang mit Glasfaser beginnt deren Entstehung mit einem dicken Siliziumblock, der mit massiven Brennern erhitzt wird, als handele es sich um ein Spanferkel. Die Brenner schmelzen das Silizium, das mit Germanium oder anderen Elementen angereichert wird. Nach einer geraumen Weile der Anreicherung/Erhitzung wird der Glasblock an einen mehr als 30 m hohen Ziehturm gehängt, erneut erhitzt, in die bekannten langen Fäden gezogen, mit einer Schutzhülle umgeben und auf die Transporttrommeln gewickelt. Das als Folge der größten bekannten Explosion entstandene, seit 13,8 Milliarden Jahren vorhandene, in Siliziumdioxid kanalisierte und in einem grobschmiedartigen Verfahren mit Feuer, Elementruß und Kneten gefertigte Photon ist robust! Aber das Image der Glasfaser als empfindliche Technik steht ihm im Weg. Es wird dann zum führenden Indikator der Verbreitung für die „letzten paar Meter“, wenn wir eines Tages vornehmlich Bilder von den Lieferwagen der Installateure sehen, die vollgestopft sind mit Werkzeug, Leitern, Fast Food-Resten und gedankenlos herumgeworfenen Glasfasertrommeln.