TE Perspektiven
Autor: Christoph Lederle, Ph.D., Branchenexperte im Bereich Energietechnik
Die Welt wird immer elektrischer. Infolgedessen gewinnen elektrische Alternativen rasch Marktanteile für fast alle Prozesse oder Geräte, die derzeit mit anderen Energiequellen betrieben werden.
Elektroautos und andere Elektrofahrzeuge ersetzen Fahrzeuge mit Verbrennungsmotoren. Hausbesitzer entfernen sich von Öl und Erdgas für ihre Koch- und Heizungs-/Kühlsysteme. Die industrielle Automatisierung und der Aufstieg der Cobots führen dazu, dass mehr elektrische Geräte in den Fabriken eingesetzt werden.
Diese „Elektrifizierung von allem“ führt zu einer enormen Nachfrage nach sauberem, zuverlässigem Strom. Laut Prognosen der Internationalen Energieagentur wird der weltweite Energiebedarf bis 2030 um fast 25–30 % auf etwa 30.000 Terawattstunden (TWh) ansteigen. Die Prognosen gehen davon aus, dass bis 2030 1.100 TW des Stromverbrauchs auf Elektrofahrzeuge entfallen werden. Das entspricht etwa 4 % des gesamten Strombedarfs. Diese Zahl entspricht dem Doppelten des heutigen Gesamtstromverbrauchs in Brasilien[1].
Um das Versprechen der weltweiten Elektrifizierung einzulösen, sind erhebliche Veränderungen in unseren Stromnetzen erforderlich. Wir müssen die derzeitigen Systeme verbessern, damit sie intelligenter, nachhaltiger, zuverlässiger und widerstandsfähiger werden.
TE arbeitet eng mit Kunden zusammen, die direkt mit der Elektrifizierung von allem zu tun haben – von Herstellern von E-Fahrzeugen und anderen Spezialisten für E-Mobilität bis hin zu Unternehmen aus dem Energiesektor. Auf der Grundlage dieser Erfahrungen haben wir vier entscheidende Veränderungen identifiziert, die für den Aufbau der Stromnetze der Zukunft erforderlich sind.
Das globale Energiesystem steht vor zwei konkurrierenden Herausforderungen: Wie kann die wachsende Stromnachfrage gedeckt und gleichzeitig ehrgeizige Ziele zur Verringerung der Kohlenstoffemissionen verfolgt werden? Der Umstand, dass die Stromerzeugung aus fossilen Brennstoffen durch erneuerbare Energiequellen ersetzt wird, kann dazu beitragen, diese beiden Prioritäten zu erfüllen. Es ist allerdings keine einfach umzusetzende Veränderung.
Erneuerbare Energiequellen wie Wind und Sonne liefern nicht den gleichen kontinuierlichen Stromfluss wie herkömmliche Dampferzeuger oder Kernkraftwerke. Stattdessen bestimmen Bedingungen wie Windgeschwindigkeit und Sonneneinstrahlung, wie viel Strom aus erneuerbaren Quellen erzeugt wird, sodass die Stromnetze bei ungünstigen Bedingungen anfällig für Engpässe sind. Tatsächlich produziert ein Kernkraftwerk vier- bis siebenmal so viel Energie wie ein Solarpark mit der gleichen installierten Leistung.
Um genügend Strom zur Deckung des Spitzenbedarfs bereitstellen zu können, müssen die Netzbetreiber die installierte Kapazität der erneuerbaren Energien deutlich erhöhen – und zwar schnell. Der Aufbau dieser Kapazitäten erfordert Lösungen, welche die Konfiguration von Anlagen zur Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien und deren Anschluss an die bestehende Infrastruktur erleichtern. Der Bedarf an zusätzlichen Investitionen erstreckt sich jedoch auf das gesamte Stromnetz.
Die Stromnetzbetreiber müssen mehr Umspannwerke und Verteilungs- und Übertragungsleitungen bauen, um die Standorte zu erreichen, an denen sie erneuerbare Kapazitäten hinzugefügt haben. Gleichzeitig ist es notwendig, dass sie andere Anlagen aufrüsten. Die Einbindung erneuerbarer Energien erfordert beispielsweise moderne Transformatoren, welche die Spannung je nach Energiequelle automatisch auf unterschiedliche Werte einstellen. Eine ganz andere Funktionsweise als die der herkömmlichen Transformatoren, welche die Spannung auf der Grundlage fester Verhältnisse nach oben oder unten regeln.
Die Erhöhung der installierten Kapazität der erneuerbaren Energien wird die Art der Stromerzeugung verändern – Übergang von einem zentralisierten, einseitig ausgerichteten System zu einem stärker dezentralisierten und dynamischen System. Die Versorgungsunternehmen benötigen daher fortschrittliche Überwachungs- und Steuerungssysteme, um die Versorgungsnetzleistung zu optimieren.
Zu den neuen Herausforderungen gehört es, überschüssigen Strom problemlos von einem Ort zum anderen zu transportieren, um Angebot und Nachfrage aneinander anzupassen. Und da immer mehr Endverbraucher Solarmodule auf Häusern und Unternehmen montieren, wird die Verwaltung des bidirektionalen Energieflusses zu einer noch größeren Aufgabe.
Zusätzlich zu diesen Echtzeitanforderungen benötigen die Versorgungsnetzbetreiber fortschrittliche Systeme, um längerfristige Leistungsprobleme zu bewältigen. In der Vergangenheit haben die Versorgungsunternehmen ihre Stromnetze mit einer Auslastung von etwa 60 % betrieben, um die Lebensdauer ihrer Infrastruktur zu verlängern. Die schwankenden Wind- und Sonnenverhältnisse führen nun zu größeren Schwankungen bei der Stromerzeugung, welche die Stromnetze beanspruchen und oft eine höhere Belastung zur Folge haben. Diese erhöhten Belastungen können zu einem höheren Wartungsaufwand und einer kürzeren Lebensdauer der Geräte führen.
Um die Versorgungsunternehmen bei der Bewältigung der höheren Lasten zu unterstützen, erwarten wir eine rasche Entwicklung intelligenter Stromnetze. Diese ermöglichen eine erweiterte Datenerfassung, einschließlich zusätzlicher Spannungs-, Strom- und Temperatursensoren zur Überwachung des Versorgungsnetzzustands. Durch die Einspeisung dieser Daten in eine zentrale Sammelstelle erhalten die Betreiber einen besseren Überblick über die Bedingungen in ihrem gesamten Stromnetz. Mit Hilfe von Fortschritten bei den automatischen Schaltfunktionen und der künstlichen Intelligenz werden die Stromnetze ihren Stromfluss selbst regulieren können.
Langlebigkeit war schon immer ein wesentlicher Faktor für elektrische Infrastrukturbauelemente, die unter rauen Witterungsbedingungen betrieben werden, insbesondere wenn es sich um besonders anfällige Verbindungspunkte handelt. Die Industrie stellt sich neuen Anforderungen, um den zu erwartenden Belastungen durch variable Energielasten, die ständigen Vibrationen von Windkraftanlagen, extreme Offshore-Bedingungen und mehr standzuhalten.
So haben wir zum Beispiel neue Steckverbinder für die neueste Generation von 15-MW-Windkraftanlagen entwickelt und arbeiten an Steckverbindern, die den Spezifikationen der nächsten Generation von 20-MW-Windkraftanlagen entsprechen. Hierbei greifen wir auf die Erfahrungen zurück, die wir in den letzten drei Jahrzehnten gewinnen konnten.
Ein weiteres Ziel von TE ist es, die Montage von Projekten im Bereich der erneuerbaren Energien einfacher, sicherer und zuverlässiger zu gestalten. Mit unseren lösbaren Kabelsteckern für Offshore-Windparks kann beispielsweise eine einzelne Person die Verbindungen an einer Windkraftanlage herstellen. Wir bieten auch Schulungsdienste an, um Monteure und Kabelverbindungstechniker in Techniken zu schulen, die eine genaue und sichere Montage ermöglichen, denn eine ordnungsgemäße Montage der Anlagen von Anfang an ist für die langfristige Zuverlässigkeit des Stromnetzes unerlässlich.
Von allen Verbesserungen, die erforderlich sind, um die Netze auf die Elektrifizierung aller Bereiche vorzubereiten, ist eine der wichtigsten die Notwendigkeit einer weit verbreiteten, zuverlässigen Energiespeicherung. Die Energiespeicherung war in der Vergangenheit zweitrangig, als die Versorgungsunternehmen die mit fossilen Brennstoffen betriebenen Generatoren problemlos je nach Bedarf ein- oder ausschalten konnten. Die schwankende Leistung der erneuerbaren Energiequellen erfordert jedoch Möglichkeiten, überschüssige Energie zu speichern, wenn die Bedingungen günstig sind, und diese Energie dann zur Verfügung zu stellen, wenn die Nachfrage das Angebot übersteigt.
Die Energieversorgungsbranche erforscht eine Reihe von Speichertechnologien, darunter Systeme, die überschüssigen Strom nutzen, um Wasser in Speicherbereiche zu pumpen und dieses Wasser dann bei Bedarf für den Betrieb von Wasserturbinen freizugeben. In ähnlicher Weise verwenden luftbetriebene Systeme überschüssigen Strom, um Luft zu komprimieren und zu speichern, die später zum Antrieb von Turbinen verwendet werden kann. Fortschritte in der Batterietechnologie werden auch den verstärkten Einsatz von Batteriespeichersystemen ermöglichen, die bei idealen Bedingungen durch erneuerbare Energien aufgeladen werden können.
Letztendlich ist Wasserstoff ein guter Kandidat für eine nachhaltige, langfristige Energiespeicherung. Überschüssiger Strom kann zur Erzeugung von Wasserstoff verwendet werden, den die Versorgungsunternehmen speichern und nutzen können, wenn die Leistung der erneuerbaren Energiequellen gering ist. Das Verfahren ist bereits erprobt, aber die derzeitige mangelnde Effizienz bei der Erzeugung von Wasserstoff aus überschüssigem Strom schränkt seine kommerzielle Nutzbarkeit ein. Sobald jedoch die globalen Stromversorgungsnetze weit mehr Energie produzieren, als zur Deckung des gegenwärtigen Bedarfs erforderlich ist, und diesen Strom aus erneuerbaren Quellen erzeugen, kann die Umwandlung von grünem Wasserstoff eine wichtige Komponente bei der Lösung der Energieprobleme wetlweit sein.
Diese Veränderungen finden bereits jetzt statt, aber wir sind der Meinung, dass sich das Innovationstempo beschleunigen muss, um mit der wachsenden Nachfrage, die durch die Elektrifizierung aller Bereiche entsteht, Schritt zu halten. Außerdem dürfen sich die Fortschritte nicht auf einen Bereich beschränken, sondern müssen gleichzeitig in den Bereichen Erzeugungskapazität, Umspannwerke, Verkabelung, Steckverbinder, Sensoren, Überwachungssysteme und Speichertechnologien entwickelt werden.
Die Zusammenarbeit in der gesamten Energielandschaft ist der Schlüssel zur erfolgreichen Umgestaltung des Stromnetzes. TE wird seinen Teil dazu beitragen, indem es in Zusammenarbeit mit seinen Kunden mehr Strom aus erneuerbaren Energien in ihre Stromversorgungsnetze integriert und andere Verbesserungen vornimmt, die sicherstellen, dass die nächste Generation der Strominfrastruktur intelligent, sicher, nachhaltig, stabil und langlebig ist.
Dr. Christoph Lederle ist ein Branchenexperte im Bereich Energietechnik. Während seiner 14-jährigen Karriere bei TE bekleidete er mehrere Führungspositionen. Bevor er zu TE kam, arbeitete er sechs Jahre lang als Wissenschaftler und Dozent an der Technischen Universität München, wo er im Bereich Hochspannungstechnik promovierte.
Weitere Artikel über technische Innovationen
[1] https://www.iea.org/reports/global-ev-outlook-2022/executive-summary