TE Perspektiven
Autor: Rüdiger Ostermann, VP und CTO, Automotive
Stellen Sie sich ein Fahrzeug vor, das Sie mit der gleichen Leichtigkeit anpassen und aufrüsten können wie Ihr Mobiltelefon. Es gibt solche Fahrzeuge bereits – und weitere Modelle warten am Horizont. Die Autokäufer von heute konzentrieren sich auf eine Reihe neuer Schlüsselmerkmale. Aspekte wie Komfort, Konnektivität und Sicherheit stellen Leistung und Beschleunigung in den Schatten. Die zunehmende Automatisierung verändert das Fahrerlebnis, und Fortschritte bei Infotainmentsystemen eröffnen Fahrern und Mitfahrern neue Möglichkeiten, mit Fahrzeugen zu interagieren.
Die scheinbar endlosen Möglichkeiten, unsere elektronischen Geräte individuell anzupassen, haben die Vorlieben der Automobilindustrie neu geprägt. In China halten bereits fast neun von 10 Verbrauchern Konnektivität für ein wichtiges Fahrzeugmerkmal. An anderen Orten der Welt entwickeln große Automobilhersteller anpassbare Apps, die es Verbrauchern ermöglichen, Funktionen zu abonnieren, die sie möglicherweise nur saisonal nutzen, wie z. B. Sitzheizungen.
Software-definierte Fahrzeuge (Software-Defined Vehicles, kurz SDVs) erweitern das Angebot von Automobilherstellern um eine Vielzahl neuer Funktionen, Anwendungen und Fähigkeiten, von denen sich manche niemand hätte erträumen lassen. Sie bieten Herstellern auch die Möglichkeit, ihre Meinung gegenüber Automobilplattformen zu ändern.
In der Vergangenheit konzentrierte sich die Individualisierung von Fahrzeugen auf physische Bestandteile. Nehmen wir an, Sie kaufen ein Basismodell und fügen Funktionen wie Nebelscheinwerfer, adaptive Geschwindigkeitsregelung oder Spurassistent hinzu. Jede mögliche Kombination von Teilen ist in gewisser Weise mit zusätzlichen Designkosten verbunden. Übliche Funktionspakete reduzieren diese Komplexität etwas, allerdings zwingen sie Verbraucher dazu, Kompromisse einzugehen. Nebelscheinwerfer oder ein Spurhalteassistent sind vielleicht Teil eines Premium-Pakets, das eine Vielzahl von Funktionen enthält, die manche Menschen gar nicht so nützlich finden, so dass sie sich letztendlich entscheiden müssen: Mehr für das Fahrzeug zahlen? Sich lieber mit einem Fahrzeug zufrieden geben, das nicht alle gewünschten Funktionen hat? Oder woanders nach einem Paket suchen, das ihren Bedürfnissen besser entspricht?
Der Wechsel zu einer Architektur, die Software zur Steuerung der Funktionen eines Fahrzeugs verwendet, wird es Automobilherstellern ermöglichen, eine größere Auswahl an kundenspezifischen Funktionen anzubieten. Natürlich müssen die Funktionen physisch vorhanden sein, damit die Software sie aktivieren kann. Genau genommen vereinfacht das jedoch bestimmte Elemente des Design- und Fertigungsprozesses, da die Anzahl der Varianten geringer ausfällt, die ein Autohersteller konstruieren und fertigen muss. Eine Möglichkeit wäre, Low-, Medium- und High-End-Plattformen mit unterschiedlichen Sets potenzieller Funktionen bereitzustellen.
Anstatt ein Premium-Paket auf dem Platz verkaufen zu müssen, könnten Autohersteller damit zusätzliche Funktionen auf Pay-to-Play-Basis zum nachträglichen Kauf anbieten. Sie könnten ihren Kunden nach dem Kauf eines Fahrzeugs sogar eine kostenlose Testphase anbieten, um Fahrern und Mitfahrern genügend Zeit zu geben, den Mehrwert der verschiedenen Funktionen zu erkennen.
Durch den Einsatz einer softwaregesteuerten Automobilplattform wird die Komplexität, die sich früher im physischen Design des Fahrzeugs verbarg, auf die Software übertragen, die das Fahrzeug betreibt. Der Kabelbaum muss nicht nur in der Lage sein, Strom und Daten im ganzen Fahrzeug verfügbar zu machen, sondern auch dazu, Funktionen auf smarte Weise zu aktivieren und zu deaktivieren. Diese Fähigkeit erfordert eine höhere Qualität von standardisierten Teilen im elektrischen Verteilungssystem, die mit höheren Kosten verbunden ist. Diese zusätzlichen Kosten bringen jedoch zusätzliche Vorteile mit sich.
Erstens hat die Ausrichtung auf das autonome Fahren begonnen, die Art und Weise zu verändern, wie Automobilhersteller über elektrische Systeme denken. Um die Wahrscheinlichkeit eines Ausfalls in einem autonomen System zu senken, müssen Automobilhersteller eine redundante Stromversorgung bereitstellen. Sobald dieses Investitionsniveau erreicht ist, rät es sich, die Sicherungskästen, über die seit eh und je die Schaltkreise im Niedervolt-Bordnetz eines Fahrzeugs verwaltet wurden, durch elektronische Komponenten zu ersetzen.
Die Nutzung von Halbleitern zur Steuerung von Spannung und Strom bietet Vorteile, die Sicherungen nicht liefern können. Gleichstromkreise, die bis zu 60 Volt führen, benötigen weniger Sicherheitsvorkehrungen, da sie keine nennenswerte Gefahr für eine Person darstellen, die zufällig eine stromführende Verbindung berührt. Da niemand möchte, dass eine Sicherung durchbrennt, wenn sie nicht soll, brennen Sicherungen mit einer gewissen Reluktanz durch, wenn der Strom einen bestimmten Schwellenwert übersteigt. Um dieser Funktion gerecht zu werden, haben Automobilhersteller bisher standardmäßig 48-Volt-Systeme integriert und nicht das 60-Volt-System, das häufig für Stromkreise mit mittlerer Leistung in Elektrofahrzeugen verwendet wird.
Hersteller von Elektrofahrzeugen sind bereits in der Lage, Systeme mit höherer Spannung zu verwenden, weil sie Halbleiter nutzen, die Spannung präziser steuern können als Sicherungen. Dies gibt Entwicklern mehr Flexibilität, um diese Systeme effizient einzurichten, da sie entweder mehr Leistung auf demselben Schaltkreis liefern oder mit einer geringeren Schaltkreisgröße auskommen, um die gleiche Strommenge zu liefern.
Effizienzsteigerungen über alle Schaltkreise hinweg sind jedoch nur die halbe Miete. SDVs erfordern einen anderen Montageprozess, um den Zeit- und Kostenaufwand für ihre Herstellung zu reduzieren. Um diesen Prozess effizienter zu gestalten, beginnen Technologieunternehmen wie TE Connectivity, elektrische Baugruppen modularer zu betrachten. Anstatt den Strom von einem Teil des Kabelbaums auf verschiedene Teile des Fahrzeugs zu verteilen, bündeln wir Teile zu Einheiten und verwenden kürzere Verbindungen und Brückenkontakt-Kabelsätze, um sie zu vernetzen. Dieser Wandel bedeutet, dass wir automatisierte Technologien einsetzen können, um die Module mit dem Rest des Fahrzeugs zu verbinden, was Automobilherstellern hilft, die Montage zu vereinfachen.
Die Standardisierung der Teile eines Fahrzeugs ermöglicht es Komponentenherstellern, robotergestützte Montageverfahren in die Module selbst zu integrieren, wodurch die Herstellungskosten gesenkt werden. Mit ausgereiften und vereinfachten Verbindungen zwischen den Modulen können Automobilhersteller das Fahrzeug mit roboterbasierten Methoden selbst zusammensetzen.
Der Einsatz von robotergestützten Montageverfahren kann uns die Möglichkeit geben, Verbindungen weiter zu vereinfachen. Die Präzision der Robotermontage eliminiert nämlich die Notwendigkeit von Hebelsystemen oder sekundären Verriegelungen, die sicherstellen, dass die Steckverbinder richtig sitzen.
Software-definierte Fahrzeuge werden für Automobilhersteller, Zulieferer und Verbraucher eine radikale Veränderung darstellen und Möglichkeiten eröffnen, die die Branche noch nicht vollständig begriffen hat. Um diesen Wandel anzunehmen, müssen Automobilhersteller, Komponentenhersteller und Softwareentwickler umdenken und sich uneingeschränkt dafür öffnen. Sobald Fahrzeuge softwaredefiniert sind, erwarten Verbraucher mit Sicherheit schnellere und häufigere Designveränderungen. Autobauer müssen agiler werden.
Als Partner mit umfassendem Marktüberblick spielen Technologieunternehmen wie TE eine wichtige Rolle bei der Entwicklung neuer Wege für die Entwicklung und Herstellung einer neu konzipierten Generation von Fahrzeugen, die beispiellose Anpassungsmöglichkeiten bieten, selbst wenn sie den Ausstellungsraum bereits verlassen haben.
Rüdiger Ostermann ist Vice President und Chief Technology Officer für die Unternehmenssparte Global Automotive Engineering von TE Connectivity. Seine Erfahrung basiert auf seiner langjährigen Tätigkeit im Bereich Klemmen und Steckverbinder, Kabelabzweigkästen und Kabelbäume in verschiedenen Unternehmen und Regionen. Zu seinen Spezialgebieten gehören elektrische Fahrzeugarchitektur und -anwendungen sowie Entwicklungsstrategie und -management. Rüdiger kam 2015 zu TE und hatte bereits verschiedene, immer verantwortungsvollere Positionen innerhalb des Unternehmens inne. So wurde er vom Senior Engineering Manager zum CTO für den Asien-Pazifik-Raum, wo er den Bereich Automotive Engineering mit Teams in China, Korea und Japan leitete. Bevor er zu TE kam, war Rüdiger bei SEWS-CE, Lear Corporation, Stocko GmbH & Co KG und EDM Engineering GmbH tätig. Rüdiger hat einen Abschluss in Maschinenbau der FH Münster.
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